Lass Unser Blut / Ein Haustier

Ich definiere mich durch dich. Du bist groß und stark, lachst, während du mit deinen Freunden redest. Währenddessen zwänge ich mich in die Ecke, bleibe durch einen Schlauch mit dir verbunden. Ohne Beine und mit nur einem Arm kann ich lediglich auf meinem Bauch herumkriechen wie eine urzeitliche Echse. Ich kann dich kaum sehen, meine Augen sind mit einer dünnen Haut überwachsen. Doch ich weiß, dass du groß bist, denn ich merke, wie sich dein Schatten durch das Licht bewegt, und ich weiß, dass du stark bist, denn du hast mich vollkommen vereinnahmt. Ich bin stolz, dass ich ein Teil von dir sein darf, dass wir eins sein dürfen. Ich kann es nicht ausstehen, wie sehr wir getrennt sind. Ich hasse alles, was von meinem Körper übrig ist, denn es hält mich von dir fern. Ich will deinen Geschmack aus der Luft einsaugen, den Wein in deinem Atem riechen, wenn du ihn beim schnappartigen Lachen ausstößt. Doch meine Lungen sind schwach und kindlich; wie ein Fisch auf Land kann ich nur kurze, zuckende Atemzüge machen, bevor sie erschöpft kollabieren. Ich ziehe mich mühsam über den Hartholzboden, mein Pfad markiert durch eine dünne Spur abgekratzter, fahler Haut. Als ich dich erreiche, ziehe ich an deinem Bein. Dein Fleisch fühlt sich stramm an, blutdurchströmt und lebendig. Ich spüre, wie unser Blut im selben Rhythmus pulsiert. Ich glaube, du schreist mir etwas zu, doch meine Ohren hast du bereits taub geschlagen. Als du dich wieder beruhigst, kniest du zu mir nieder, kraulst mir das Kinn. Deine dicken Finger streichen mit verdeckter Kraft über meine Haut. Du gräbst dich hinein, versuchst die Venen zu erreichen, doch das Blut darin ist befleckt, schleimhaft, und es bleibt an mir hängen wie verfaulter Honig. Deine Stimme klingt wütend. Ich fühle, wie dein Blut immer schneller durch unsere Arterien rast. Dein Fuß trifft mich am Kiefer, seine Splitter schiessen durch meine Lippe. Durch schlägst mich in absoluter Manie, eine verdrehte Herzmassage, und meine Knochen brechen mit jedem Schlag lauter. Dann, endlich, reißt meine Haut auf, und die Reste meines Kiefers fallen zwischen die Planken am Boden. Mit deinen Freunden lehnst du dich lachend über mich. Dein Adrenalin fließt in mich hinein, deine Erregung mischt sich mit meiner. Dein Blut erfüllt mich mit Leben. Dein Lachen erfüllt mich mit Freude. Dies ist der Klang, den ich für den Rest meines Lebens hören möchte. Ich heule endlos, vom Wahnsinn erfüllt, wie eine läufige Wölfin. In aufgelöster Verwirrung beiße ich in mein eigenes Fleisch. Ich spüre, wie etwas in meinen Arm einschneidet, und eine dicke Flüssigkeit füllt meinen Mund. Der Geschmack trägt noch Erinnerungen an dich. Ihr alle lacht, lauter und immer lauter, streichelt mich wie einen Welpen mit orgasmischer Erregung. Du drückst meinen Kopf tief in mein Fleisch hinein, treibst meine Zähne tiefer in meine Überreste. Ich fühle deine Liebe zu dir selbst, und ich weiß, dass du sie auch fühlst. Mich so vor dir auflösen zu dürfen, ist meine größte Ehre.